«Artenschutz ist mir sehr wichtig»

Willi Joss arbeitet im alten Schützenhaus an der Dorfstrasse in Hinterkappelen
Willi Joss arbeitet im alten Schützenhaus an der Dorfstrasse in Hinterkappelen

Er ist der Doyen des Vereins Natur- und Vogelschutz Wohlen, Willi Joss, 69, der in Hinterkappelen wohnt, ist Hobbyornithologe und Tierschützer.

Im Vereinslokal, dem ehemaligen Schützenhaus an der Dorfstrasse in Hinterkappelen, ist Willi Joss regelmässig anzutreffen. Im Winter weniger, denn es ist kalt hier. Joss, in dicker Jacke und mit einer Dächlikappe auf dem Kopf, werkelt an einem Nistkasten und schraubt ein Blech auf das Holzdach. Die glatte Oberfläche sollte den Marder abhalten, in den Kasten einzudringen, sagt Joss, genützt habe es wenig, denn die Tiere seien schlau. So habe er in seinen Nistkästen schon grosse Schäden zu verzeichnen gehabt, ist seine traurige Bilanz. Hier repariert Joss die Kästen, die ein Face Lifting brauchen, er bietet auch Meisen Nisthilfen an, die er in einer geschützten Werkstatt herstellen lässt

 

Seit Mitte Oktober 2008 ist der Verein im alten Schützenhaus präsent, es dient vorwiegend als Material und Werkzeuglager, gelegentlich findet im Sommer für ExkursionsteilnehmerInnen ein Apero statt, mehr nicht und er dient oft als Treffpunkt, wenn die Exkursion an den Wohlensee führt. Geschossen wurde hier letztmals in den 60er Jahren, in der Ferne sieht man noch den Wall, wo die Scheiben standen. Nun sind im sog. Schiesskanal Jugendliche mit ihren BMX Velos am «jumpen», sagt Joss, von daher rühren die vielen Erdhügel. Ein eher unwirtlicher Ort, der vielleicht später mal überbaut wird.

 

130 Nisthilfen

Willi Joss ist eine prägende Figur im Verein, seit der Gründung ist er dabei, seit 1977 im Vorstand, wo er das Ressort Vogelschutz betreut, das jetzt in Artenschutz umgetauft wurde, ausserdem ist er Vizepräsident, betreut seit 2005 die Webseite, leitet diverse Aktivitäten, schreibt über Vögel, wie kürzlich im Gemeindeblatt von Wohlen, wo er einen Bericht über den Neuntöter, Vogel des Jahres 2020, verfasst hat, pflanzt Bäume, pflegt Hecken, macht Fotos, beobachtet genau, was in der Natur passiert und ist zur Stelle, wenn etwa Tiere in Gefahr sind.

Seit Jahren kümmert sich Joss um die Kästen für Vögel, die er richtig als Nisthilfen für Höhlenbrüter bezeichnet. 130 dieser Nisthilfen, die vor allem von Meisen besucht werden, hat er im Buechholz Wald aufgehängt und organisiert für die Vereinsmitglieder Brutkontrollen, jeweils im April und im Juni. «Hier können Gelege und Jungvögel ganz nahe beobachtet werden», sagt der Vogelexperte, die Exkursionen seien bei Erwachsenen und Kindern beliebt, die Vieles über das Brutverhalten von Höhlenbrütern erfahren. Bei der 2. Brutkontrolle werden auch die Nisthilfen gereinigt, damit sie nächsten Frühling wieder zur Verfügung stehen.

 

Mauersegler gerettet

Der Vogelschützer hat sich in den vielen Jahren zu einem eigentlichen Vogelexperten entwickelt, er kennt die Wasservögel am Wohlensee und organisiert dazu eine Winterexkursion, er kennt die Vogelstimmen, 2018 hat er den dreiteiligen Kurs «Vögel für Anfänger» geleitet und vieles mehr. Artenschutz ist ihm ein grosses Anliegen. So hat er im Sommer 2018, als die Wohlener Kappelenbrücke saniert wurde, die Brut der Mauersegler gerettet. Damals versperrte ein zwei Meter hohes Kunststoffnetz den Zugang zu den 105 Nisthilfen, die unter der Brücke aufgehängt waren. Joss, aufmerksam gemacht durch Tierschützer, intervenierte bei der Baufirma und das Netz wurde um die Hälfte reduziert. Ein Happy End, wie Berner Zeitung in einer Sommergeschichte bemerkte, und so auf den rührigen Vogelschützer aufmerksam machte.

 

Seit 5 Jahren ist Willi Joss pensioniert und wendet viel seiner Zeit für den Schutz der Vögel auf, er kümmert sich aber auch um Fledermäuse, wie die Mausohren, Turmfalken, Schleiereulen und seit kurzem um Störche.  In Oberdettigen und in Murzelen hat er zusammen mit Thomas Leu auf Bauernhäusern mit Hilfe von Dachdeckern, je einen Storchenhorst platziert. Die Initiative kam von Thomas Leu. Ende 2019 bauten sie in Oberdettigen zwei Plattformen für Störche, die sie im Januar auf die Dächer montierten «Ich hoffe, die Ansiedlung des Weissstorches in der Gemeinde ist erfolgreich», sagte Joss, es könnte aber auch erst in 5 Jahren soweit sein.

 

Im Seeland aufgewachsen

Willi Joss ist in Büren an der Aare aufgewachsen, wo die Eltern einen Bauernhof hatten. In den 70er Jahren macht er bei der Post die Lehre und arbeitet im Liebefeld als Briefträger. Dort lernt er auch seine Frau Christine kennen, 1975 heiraten sie und werden Eltern eines Sohnes und einer Tochter.  Er bekommt Diabetes und wechselt nach dem Besuch der Abendhandelsschule Rischik den Beruf. Ab 1977 arbeitet er beim Bund in diversen Abteilungen als Sachbearbeiter. Zuletzt war er bei der Denkmalpflege im Subventionsbereich tätig und bearbeitete Gesuche der Kantone. Mit 64 wurde Joss pensioniert und hat seither mehr Zeit für den Verein. Aber er geniesst auch die freie Zeit, die er mit sportlichen Aktivitäten ausfüllt. Er fährt Velo und ist schliesslich auch mit seinem Kanadier (Kanu) auf dem Wohlensee unterwegs, um ganz allein die Vielfalt der Natur zu geniessen, die ihm seit seiner Jugend ein grosses Anliegen ist.

 

Infos über den Verein: www.nvw.birdlife.ch

Text/Fotos: zvg/Urs J. Huber, Herrenschwanden